Familie Laubinger/Petermann, Ranstädter Steinweg 13 und 15 in Leipzig

Diese Stolpersteine im Durchgang zwischen dem Ranstädter Steinweg 13 und 15 (ehemals Naundörfchen 8) sind Angehörigen aus drei Generationen der Sintifamilie Laubinger/Petermann gewidmet. Die Familie bestand in erster Generation aus Karl Laubinger, geboren am 9. September 1885 in Delitzsch, und Anna Hedwig „Kani“ Laubinger, geb. Petermann, geboren am 28. November 1890 im Kreis Wittichenau. Gemeinsam hatten sie sieben Kinder:

  • Fichta Petermann, geboren vermutlich im Jahr 1910 oder 1911, Geburtsort unklar
  • Vio Laubinger, geboren am 10. März 1912 in Temesvár, Ungarn (heute Timișoara, Rumänien)
  • Wilhelm Heinrich Laubinger, geboren am 18. Dezember 1916 in Breslau (heute Wrocław, Polen)
  • Ludwig Laubinger, geboren am 14. März 1918 in Hamburg
  • Anna „Bazura“ Laubinger, geboren am 28. September 1920 in Herrengosserstedt
  • Willy Laubinger, geboren am 19. April 1926 in Remstädt
  • Artur Laubinger, geboren am 22. Juli 1928 in Berlin

Sohn Vio hatte eine Frau und ein Kind, deren Namen bisher unbekannt sind. Tochter Fichta hatte drei Kinder namens Sonja Erika Petermann, Manfred Petermann sowie einen Sohn mit unbekanntem Namen, der bereits als Säugling starb. Tochter Anna „Bazura“ hatte drei Kinder namens Peter Laubinger, Erika Laubinger und Monika Laubinger.

Anna Hedwig „Kani“ Laubinger und Karl Laubinger sind lange Zeit nicht standesamtlich, sondern lediglich informell getraut, so dass sie den Behörden ebenso als ledig gelten wie ihre Kinder als unehelich. Erst am 16. Oktober 1933 heiraten sie standesamtlich. Die Familie Laubinger lebte zunächst im Wohnwagen und reiste umher, um Waren anzubieten sowie als Artist*innen zu arbeiten. Die Geburtsorte der Kinder geben Aufschluss über die Reisen der Familie, die als Händler*innen ein Wandergewerbe ausübten.

Seit 1931 ist der Aufenthalt der Familie in ihrem Wohnwagen in Leipzig belegt. Schikanen durch die Behörden und die Polizei – wie etwa Ausweisungen und Aufenthaltsverbote unter Androhung von Haftstrafen bei Nichtbefolgung – sind Alltag für einem Wandergewerbe nachgehende Roma und Sinti.

Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die Familie genötigt, sich niederzulassen, jedoch immer wieder von Anwohner*innen vertrieben, so dass sie sich darauf folgend neue Unterkünfte suchen mussten. Ihrer deutschen Staatsbürgerschaft und ihrem katholischen Glauben zum Trotz wurden sie alsbald von den Nationalsozialist*innen, unter dem Vorwand der „asozialen Lebensführung“, verfolgt.

Karl Laubinger wurde Anfang 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, nach einem Monat wieder entlassen, um wenige Monate später im Oktober 1938 erneut nach Sachsenhausen verbracht zu werden. Dort wurde er am 19. April 1940 ermordet.

Nachdem ihr Ehemann festgenommen worden war, verdiente „Kani“ Laubinger mit Hilfe ihrer Töchter ihr Geld mit Kurzwarengeschäften. 1940 wurde ihr das Sorgerecht über Willy und Artur entzogen. Am 2. April wurde sie durch die Kriminalpolizei Leipzig verhaftet, in Schutzhaft genommen und in das Frauenlager Ravensbrück deportiert. Zu einem noch unbekannten Zeitpunkt, wird sie ins KZ-Außenlager Schlieben überführt, wo sie als Fabrikarbeiterin Zwangsarbeit für das Rüstungsunternehmen Hugo Schneider AG (HASAG) leisten muss. Das im Ortsteil Bercha, im heutigen Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg, errichtete Lager war eine Außenstelle des KZ-Stammlager Buchenwald.

Im August 1944 wird sie ins Außenlager Altenburg und am 7. September mit 500 weiteren Frauen, zumeist Jüdinnen, Romni und Sinitzze, ins Außenlager Taucha deportiert – Zwei weiteren Außenstellen des Stammlager Buchenwald, in denen ebenso Zwangsarbeit für die HASAG zu leisten war. Die Frauen werden für körperlich besonders schwere und gesundheitsgefährdende Arbeiten eingesetzt. Viele von ihnen werden bereits nach kurzer Zeit aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes als nicht mehr arbeitsfähig in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau oder andere Lager verlegt. Auch „Kani“ Laubinger wird vermutlich aus diesem Grund am 31. August 1944 nach Ravensbrück und am 1. März 1945 in das KZ Bergen-Belsen überstellt, wo sie vier Tage darauf, am 5. März 1945, als Häftling registriert wird. Einen Monat vor dem Eintreffen der Alliierten habe eine Freundin dort ihren Leichnam gesehen.

Im Januar 1941 wurde Vio Laubinger nach Sachsenhausen deportiert, dort von der Roten Armee befreit und überlebte das KZ-System. Über das Schicksal seiner Frau und seines Kindes ist soweit nichts bekannt.

Fichta Petermann wurde 1939 nach Ravensbrück deportiert. Von dort kam sie 1944 nach Buchenwald und Taucha, wo sie auf ihre Mutter traf. Beide wurden nach Bergen-Belsen überstellt, doch nur Fichta erlebte die Befreiung des KZs und überlebte. Ihre Kinder Sonja Erika Petermann und Manfred Petermann wurden in Auschwitz-Birkenau im Alter von neun und acht Jahren ermordet.

Wilhelm Heinrich Laubinger wurde 1940 verhaftet. Die Nationalsozialist*innen internieren ihn in den KZs Sachsenhausen, Dachau und Lingen/Ems sowie 1944 in Neuengamme und ermorden ihn schließlich am 25. April 1944 in Auschwitz-Birkenau.

Ludwig Laubinger wurde 1937 nach Buchenwald, 1940 nach Neuengamme, 1942 nach Dachau und Natzweiler deportiert und letztlich am 26. Juni 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Anna „Bazura“ Laubinger wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und dort am 25. Januar 1944 ermordet. Ihre Kinder Peter, Erika und Monika wurden ebenfalls dort im Alter von fünf, zwei und einem Jahr ermordet.

Willy Laubinger wurde 1940 im Alter von 14 Jahren unter die Obhut des katholischen Vincenciusstift gestellt und von dort im selben Jahr ins Jugendschutzlager Moringen deportiert. 1943 wurde er nach Auschwitz und 1944 ins KZ Mitelbau-Dora, einem Außenlager des Stammlager Buchenwald, überführt. Seit dieser Zeit gilt er als verschollen.

Auch sein Bruder Artur kam in den Vincenciusstift, wurde 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort am 30. Mai 1944 ermordet.

Die Stolpersteine befinden sich vor dem Haus, in dem das Ehepaar Karl und Anna Hedwig „Kani“ Laubinger mit ihren sieben Kindern und einigen Enkeln zuletzt vor den Deportationen gemeinsam in nur zwei Räumen lebte.

 

Weitere Informationen unter:

Entrechtet, deportiert, ermordert