Berthold Petermann, Döllingstraße 1 in Leipzig-Paunsdorf

Berthold Petermann wird am 19. Dezember 1915 in Neustadt bei Coburg geboren. Sein Vater Berthold Petermann sen. war Musiker und fiel im Ersten Weltkrieg. Seine Mutter ist Alwine Petermann, geb. Rosental, geboren am 12. Januar 1883 in Grammentin. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Berthold hat einen älteren Bruder namens Alfred, geboren am 2. April 1914 in Lötzen. Er überlebt den Porajmos (romanes „das Verschlingen“), doch ist über seinen Lebensweg bislang nichts bekannt.

Ab 1932 ist der Aufenthalt von Alwine, Alfred und Berthold Petermann in Leipzig belegt. Aus Polizeiakten gehen wechselnde Wohnorte im Osten Leipzigs hervor, wobei Alwine und Berthold meist gemeinsam im Wohnwagen der Mutter leben:

  • ab 1932 in einem Wohnwagen in der Cunnersdorfer Straße in Leipzig-Sellerhausen
  • 1933 in der Döllingstraße 1 in Leipzig-Paunsdorf
  • 1934 im Hof der Wurznerstraße 77 in Leipzig-Sellerhausen, später in der Wurznerstraße 57, Aufgang II, bei einer Familie Kirschke
  • 1935 in einem Wohnwagen in der Straße des 18. Oktober im Bereich Bauplatz Ecke Linnestraße, später in der Straße des 18. Oktober Nr. 1 bei einer Familie Horn

Berthold arbeitet ab Mitte der 1930er Jahre aushilfsweise als Straßenhändler und Musiker. 1935 findet er eine Anstellung beim Schausteller Spindler, der in Leipzig und an anderen Orten in der Umgebung Theatervorstellungen aufführt.

Die Kriminalpolizei Leipzig legt eine Akte über ihn an. Es sind zumeist Bagatelldelikte wie verbotenes Radfahren, Ruhestörung, grober Unfug, verbotener Straßenhandel und überlautes Ausrufen von Waren, die ihm zur Last gelegt werden.

Berthold Petermann versucht, den zunehmenden Repressionen gegen Roma und Sinti in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu entgehen, indem er den Vermerk in seinen Papieren vernichtet, der ihn als Angehöriger der Minderheit ausweist. Der Versuch scheitert. In den Akten des Polizeipräsidiums Leipzig ist er seit August 1933 als „[Z*]“ registriert. In seiner Polizeiakte vom 5. Dezember 1938 heißt es: „Den auf dem beiliegenden Abmeldesein [sic!] angebrachte[n] Vermerk „[Z*]“, hat P. nicht mehr vorlegen können, da die fehlende Hälfte des Abmeldescheins verloren gegangen sei! Diesen Teil des Abmeldescheins dürfte P. absichtlich beseitigt haben.“

Die Daten über seinen Aufenthalt in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre sind zum Teil widersprüchlich. In Leipziger Akten wird er im Juni 1936 in der Mariengasse 5 in Leipzig-Thonberg (heute Witzgallstraße 1), 1937 in der Großen Fleischergasse 14 II bei seiner Mutter und später in der Weißenburgerstraße in Leipzig-Anger-Crottendorf geführt, bis er sich im selben Jahr nach Hamburg abmeldete. Gegenüber den US-amerikanischen Besatzungsbehörden gibt er von 1936-37 Pilsen (heute Plzeň, Tschechien) und 1937-38 Hamburg als Aufenthaltsort an. Nach eigenen Angaben wurde er von 1938-45 in die KZs Sachsenhausen, Dachau und Nordhausen verbracht. Berthold Petermann überlebt den Porajmos.

Verheiratet ist er mit Herta Petermann, geb. Rose, geboren am 20. Mai 1921 in Lauban. Deren erster gemeinsamer Sohn, Jan Petermann, wird am 18. Juni 1933 in Leipzig geboren.Vermutlich lebten Alwine, Berthold, Herta und Jan gemeinsam in der Döllingerstraße 1 in Leipzig-Paunsdorf. Deswegen befindet sich ihr Repräsentationspunkt dort.

Gegenüber den US-amerikanischen Besatzungsbehörden gibt Herta Petermann von 1936-38 Breslau (heute Wrocław, Polen) als Aufenthaltsort an. Von 1939-41 wurde sie in ein KZ in der Nähe von Warschau deportiert. 1941-45 befand sie sich in den KZs Auschwitz und Ravensbrück. Auch sie überlebt, zieht 1945 mit Berthold nach Coburg und gebärt dort am 13. März 1946 den gemeinsamen zweiten Sohn Klaus Petermann.

Von 1946-48 arbeitet Berthold in mehreren Städten der amerikanischen Besatzungszone als Musiker. 1948 hält sich die Familie Petermann in Bamberg auf. Am 2. September 1948 stellen Berthold und Herta einen Antrag auf Beihilfe an die US-amerikanischen Besatzungsbehörden. Berthold Petermanns Identity Card vom 1. Januar 1949 weist ihn als Displaced Person aus: Nach dem Zweiten Weltkrieg befinden sich aufgrund von Verschleppung und Deportation, Flucht und Vertreibung mehr als 11 Millionen Displaced Persons auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Seine Nationalität wird mit Nansen angegeben. Seit 1922 wird der Nansen-Pass als Reisepass für staatenlose Flüchtlinge und Emigranten ausgestellt.

Über den weiteren Lebensweg der Familie ist bislang nichts bekannt.

 

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Entrechtet, deportiert, ermordert